ERFAHRUNGSBERICHT

Pavel Mozhar

Regie Student

Eindruck von den ersten Führungen: lange Fluchten und eindringliche Gesichter. Dunkle, hallende Flure mit reflektierenden Fliesen. Augen, die durch die kleinen Fenster der Metalltüren mich anschauen. Es riecht nach kaltem Zigarettenrauch und Suppe. In der Sektion drei zeigt mir ein Wächter stolz auf die „Maximum Risk“ Zellen – spätestens hier fühle ich mich wie im Zoo. Viele Informationen von der Gefängnisleitung, viele rein visuelle Eindrücke, die ich noch nicht einordnen will. Außer einer Oberfläche kann ich in den ersten Tagen wenig sehen.

Ein schönes Erlebnis am Ende der ersten Woche. Den ganzen Vormittag sind wir zu dritt in einem weitläufigen Workout-Yard. Ein dutzend Insassen trainieren in kleinen Gruppen an rostigen Geräten. Es ist bewölkt, arrhythmisches Klimpern der Gewichte. Ich kann mich hinsetzen und vor mich starren. Zum ersten Mal wird mir an diesem Ort langweilig. Das freut mich, denn jetzt haben sich die ersten Eindrücke gelegt.

Am nächsten Tag die erste beklemmende Begegnung. Ein Fotoalbum mit ein paar freizügigen Fotos einer Frau und dutzenden Fotos von verschiedenen Mädchen in sommerlicher Bekleidung, die ein Insasse mir abseits eines Sozialarbeiters zeigt. Ich versuche es nicht einzuordnen. Ich glaube, ich habe es verdrängt.

In der zweiten Woche fangen wir an zu drehen. Das Team ist super. Die Kameras werden an die ersten Protagonisten ausgeteilt. Die ersten Interviews sind zäh, gewähren uns aber einen Einblick. Im Rhythmus des Drehs verlässt man sich auf seine Intuition, auf die eigenen Denkmuster, viel Zeit zum reflektieren bleibt einem nicht.

Am vorletzten Tag verschwindet eine SD-Karte aus der kleinen Kamera eines Protagonisten. Die Direktorin bittet mich mit meinen Protagonisten zu reden, bevor es eine Zellendurchsuchung gibt. Also spreche ich mit den Insassen. Keiner weiß von nichts. Als ich nach anderthalb Stunden aus dem letzten Interview rauskomme, herrscht in der Sektion eine unruhige Stimmung. Ich frage mich, was ich tun kann, ob ich ihm irgendwie helfen kann. Die ganze Aufregung wegen einer Karte, die zehn Euro kostet. Mein Protagonist hatte die Kamera schon zum zweiten Mal, warum sollte er die Karte jetzt rausnehmen? Ich suche im Rucksack und finde eine identische Karte aus der X-70.

Am nächsten Tag kommt raus, dass sie es geplant haben. Mein Protagonist und sein Zellengenosse. Sie haben eine Botschaft aufgenommen und die Karte nach Hause geschickt. Diese Dimension war mir nicht bewusst. Mein Protagonist hat ausgesagt und wurde in der Nacht in seiner Zelle zusammengeschlagen. Am gleichen Tag präsentieren wir unseren Rohschnitt mit Szenen vom fröhlichen Kartenspielen in dieser Zelle.

In dieser undurchdringlichen Welt an einem scheinbar strukturierten Ort haben viele Dinge eine andere Bedeutung, die ich nie erfahren werde. Ein fremder bleibt ein fremder und sollte auch versuchen dieser zu bleiben. Nach den drei Wochen bin ich diesem Ort gegenüber noch vorsichtiger als am Anfang. Immerhin. Mehr zu erfahren ist nicht möglich.