Kennenlernen

Nach zwei Tagen Flug und Zugfahrt kamen wir endlich in Botosani an. Die ersten Tage im Gefängnis waren für viele Studierende anstrengend. In einer langen Sitzung mit der Gefängnisverwaltung wurden wir mit einem Paket von Vorsichtsmaßnahmen, Regeln und Verboten vertraut gemacht. Auch für die Gefängnisleitung bedeutete die Werkstatt ein riskantes Novum, so dass auf beiden Seiten Stress und Unsicherheit zu spüren waren. Dann endlich wurden wir durch das Tor des Haftareals geführt, ein unübersichtliches Labyrinth von Trakten, Gängen, Stacheldrahtverschlägen, Wachtürmen und Eisentüren, die hinter uns mit einem lauten Knall ins Schloss fielen. Die Gefangenen riefen uns aus ihren vergitterten Fenstern zu. Wir konnten sie aber nicht sehen und fühlten uns als Eindringlinge.

Als wir den ersten Trakt betraten, wurden wir angewiesen Abstand von den metallenen Zellentüren zu halten. Durch die geöffneten, rechteckigen Sichtklappen starrten uns Augen an. Es war wohl kein Zufall, dass wir in der Mittagszeit hier hergeführt wurden, denn dann durfte sich kein Insasse auf den Fluren aufhalten. Die Häftlinge auf diesem Trakt seien unberechenbar, wurde uns gesagt. Der Rundgang erinnerte an den Gänsemarsch einer Touristengruppe, die ein Provinzzoo besichtigte.

Die Führung am nächsten Tag war um einiges entspannter. In Begleitung des Sicherheitspersonals war es uns erlaubt, die Zellen zu betreten. Die Insassen nahmen Habachtstellung und begrüßten uns ganz förmlich. Auf dem Boden lagen Teppiche, in der Ecke lief ein Fernseher und an den Fenstern hingen Gardinen. Auch Pflanzentöpfe und Ikonen gab es zu genüge. Pavel Mozhar, Regiestudent, beschreibt seine Eindrücke so: „Es fühlte sich an, als wäre man in Straßenschuhen und ohne Einladung mitten in einem überfüllten Wohnzimmer.“

Fast allen Studierenden fiel es vorerst schwer, sich für bestimmte Protagonisten und Drehorte zu entscheiden. So viele unbekannte Gesichter mit so vielen Geschichten. Nur wenige der Insassen sprachen englisch, sodass die meiste Kommunikation über die rumänischen Studentinnen läuft. Diese spürten und verstanden zwar eher die Spannungen, Ängste und Sehnsüchte bei sich und zwischen den Insassen, aber auch sie hatten Schwierigkeiten, mit all den tragischen Begebenheiten und Schicksalen umzugehen. In Anbetracht dieser so fremdartigen Umgebung wurden Vorsätze und Entwürfe schnell zu Makulatur.

Wie konnten sie ihren Ansprüchen gerecht werden, angesichts dieser unübersichtlichen Menge, divergierender Interessen und dem regelrechten Hunger der Inhaftierten nach Aufmerksamkeit und Abwechslung? Wie lies es sich in so einer Konstellation das Kennenlernen und die Suche nach Stoffen und Protagonisten bewerkstelligen? Pavel Mozhar dazu: „Am zweiten Tag spielte ich mit zwei Kommilitonen Tischtennis gegen die Insassen. Es herrschte eine freundliche wir-gegen-die Stimmung. Die gegenseitige Neugierde und der Wunsch nach Austausch übertrugen sich auf alle Sektionen. Alle wussten, dass die Studierenden da sind und etwas von ihnen wollten. Jeder wollte beachtet werden. Die Insassen tanzten im Hof und erzählten. Dabei versuchte die Gefängnisleitung verständlicherweise in diese ganze Aufregung eine gewisse Struktur hineinzubringen. Es wurden Treffen mit den Insassen in großen Seminarräumen organisiert. Wir stellten Fragen, sie erzählten. Für die Recherche lief die Kamera. Die Direktorin war anwesend. Um in Kontakt mit Einzelnen zu kommen, wählten wir lieber danach die Methode der Einzelgespräche in kleinen Gruppen. Ich war mit einer rumänischen Studentin in einer Gruppe. Die meisten Männer wollten nur ihren Facebook-Account.“

Fast allen Studierenden fällt es vorerst schwer, sich für bestimmte Protagonisten und Drehorte zu entscheiden. So viele unbekannten Gesichter mit so vielen Geschichten. Nur wenige der Insassen sprechen englisch, sodass die meiste Kommunikation über die rumänischen Studentinnen läuft. Diese spüren und verstehen zwar eher die Spannungen, Konflikte, Ängste und Sehnsüchte bei sich und zwischen den Insassen, aber auch sie haben Schwierigkeiten, mit all den tragischen Begebenheiten und Schicksalen umzugehen. In Anbetracht dieser so fremdartigen Umgebung werden Vorsätze und Entwürfe schnell zu Makulatur.