Im Mai 2019 gab es ein Wiedersehen mit Botosani. 12 der Workshop-Teilnehmenden aus beiden Filmuniversitäten betraten erneut die Strafanstalt, um die 8 Kurzfilme, die während des Workshops entstanden waren, den dortigen Insassen und dem Personal zu präsentieren. Diese Unternehmung war nicht nur eine logistische Herausforderung, denn viele der 500 Insassen und ihre Wärter waren auf die filmischen Ergebnisse gespannt. Auch das Wiedersehen mit den Protagonisten war äußerst emotional. Sie schilderten uns, wie sehr sie sich während des Workshops an uns gewöhnt hätten und an manche unverhofften Freiheiten.
Nicht mal in ihren kühnsten Träumen hätten diese Insassen gedacht, dass es ihnen erlaubt werden könnte, ohne Bewachung inmitten einer Studentenhorde zu agieren. Deswegen hätte unser Weggang auf sie wie eine „zusätzliche Wegschließung“ gewirkt, ein Knast im Knast. Umso froher waren sie über unsere Rückkehr. Und die Filme? Ja, sie wären schon ok, aber für sie gar nicht so aufregend, bloß ihr Alltagstrott in Bildern, den sie in und auswendig kannten. Die Q &As fanden nach der ersten Vorführung auf dem harten Betonboden des Ausgangshofs, einem überdimensionierten Käfig von etwa 60 qm, statt. Im wilden Durcheinander von Wärtern, Sozialarbeitern, Insassen und Studenten wurden über die ersten Eindrücke diskutiert.
„Die Filme sind eher für die da draußen von Interesse“, bemerkte einer der Sträflinge. „Aber egal, Hauptsache, ihr seid erneut da“, rief der „Italiener“, ein grauhaariger Charakterkopf, der meistens in einer Ecke still sass und den anderen zuhörte. „Und wann kommt ihr wieder zu uns?“, war seine nächste Frage. Inzwischen war es ein Wiedersehen unter Vertrauten, kein vorsichtiges Abtasten auf einem feindlichen Territorium wie zu Beginn des Workshops. Stattdessen regnete es Einladungen: Wir sollten die einzelnen in ihren Zellen aufsuchen, um dann Privates mit ihnen zu besprechen. Vor lauter Vorführungen und Diskussionen war aber dafür kaum Zeit, so dass nur ein paar Protagonisten dieses Vergnügen hatten.
Auch wenn ihnen der Trott bekannt vorkam, gab es bei den 4 Vorführungen reichlich Applaus für die Protagonisten. Es war vielleicht ihre Art und Weise sich selbst zu zelebrieren, nach dem Motto: Wir sind doch was wert. Der absolute Filmheld war Tican, „der schwarze Adler“, wie er sich nannte. Trotz seiner diversen Gefängnisstrafen, die sich auf 22 Jahren summierten, hatte Tican es fertig gebracht mit seiner Frau sechs Kinder zu zeugen. Er blieb ein fulminanter Stepper, in den seine Frau noch immer verliebt ist. Dem alten Gauner war es sogar gelungen, sich in jedem zweiten Film mit seinem Gesang und Tanzerei hineinzuschmuggeln, so dass die Ovationen seiner Kumpane ihm sicher waren.
Selbst ein Teil der Wärter waren uns jetzt wohlgesonnen, obwohl sie noch immer nicht verstehen konnten, wieso es den Insassen erlaubt worden war, sie während des Workshops bei der Arbeit zu filmen. Sie empfanden das als erniedrigend. Aber was soll´s… Es war uns verziehen. Sie litten auch unter der Eintönigkeit des Knastalltages, die wir durch die Dreharbeiten etwas durchbrochen hatten. Außerdem erfuhren sie durch die Filme manche Sachen über die Sträflinge, die ihnen als Schließer sonst verborgen geblieben wären. „Es würde sie verwundbar machen, wenn sie uns ihren Kummer erzählen würden“, bemerkte ein Wärter dazu. Selbst die stellvertretende Direktorin war überrascht festzustellen, dass sie und ihre Kollegen beim Gucken der Filme beinahe die Gerüche aus den Zellen wahrnehmen. Und dass sie dazu gelernt hätten: „Jetzt haben wir realisiert, dass wir noch viel mehr könnten wagen, um Projekte dieses Ausmaßes anzupacken“.